Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Leibniz Universität Hannover

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Diskussionspapiere - Hannover Economic Papers (HEP)

Nutzen und Kosten der derzeitigen Regulierung des Apothekenmarktes in Deutschland

Autor: J.-Matthias von der Schulenburg und Jan-Marc Hodek
Nummer: 390, Feb 2008, pp. 48
JEL-Class: I11, I18, D43

Abstract:
The pharmacy sector in many European countries continues to be subject to strict governmental regulations. This consists - depending on the country - of regulations on ownership, business operations, opening hours, personnel, pricing, prohibiting certain sales methods (e.g. mail order), and specifying product ranges. Indeed, Germany has a particularly strong conglomeration of regulations. Specific governmental interventions on the marketplace, i.e. interventions additionally to general legislation governing the organisation of markets in terms of regulatory policy, are frequently justified as being peculiarities of the market, which actually or allegedly prevent the market mechanism from achieving optimal results. The aim of specific interventions is to eliminate the negative consequences of free competition. However, the resulting benefits always have to be offset by the costs of regulation. These costs consist first of direct costs due to the regulation itself, since they restrict the freedom of potential suppliers and/or customers. Secondly, they have indirect welfare effects, referred to by the term 'excess burden'. This can be illustrated by the example of taxation: taxes are used to fund the affairs of the country. However, they place a direct burden on the taxpayers, but they also cause taxpayers to adapt, e.g. by being less willing to work, thereby costing the national economy the 'excess burden'. This study analyses these benefits and costs of regulation in the German pharmacy sector. It then describes the deregulation measures needed to avoid regulation-costs to the national economy. The main outcome lies in the conclusion that partial deregulation is capable of improving efficiency and quality in drug distribution. Based on the principle of 'value for money', quality improves with a given investment in drug distribution. In contrast to the present situation, Germany could be a pioneer with regard to the regulation of the pharmacy sector, focusing on the interests of consumers and patients - and not just on particular interests specific to the profession. On basis of economic theory of production and transaction-cost regarding economies of scale and economics of scope as well as on basis of welfare economics regarding oligopoly models, this analysis is coming to the result that particularly ownership and management regulations of German pharmacy sector are not only obsolete, but impose high costs on society. Together with a partial relaxation in the field of business operations and product ranges - in this part less regulatory interventions and thus the power of free competition can cause at least the same results as the present strong regulation. And this without raising a danger for customers - a wide deregulation can develop positive economic effects. Additional or even stronger effects will be possible, if price regulations and mail-order-regulations are deregulated, too. However, the analysis also shows that not every regulatory measure in the pharmacy sector should be discarded. This includes pharmacy-only and prescription-only rules, the duty that a pharmacy must be managed by a pharmacist (which must be distinguished from the ownership of a dispensary) and some of the business regulations as well as minimum opening hours. Economic potential can be realised by allowing more competition in the pharmacy sector. The more of mentioned deregulation can be realised, the larger positive economic effects can be attained. Long-term consequence of initiated trial and discovery procedures with different concepts of vertical or horizontal cooperation could be a coexistence of owner-operated pharmacies and those owned by larger joint-stock companies, which increases national welfare by meeting society-s preferences.

Zusammenfassung:
Der Apothekenmarkt unterliegt in vielen europäischen Ländern nach wie vor einer starken staatlichen Regulierung. Sie besteht - je nach Land - in der Eigentümerregulierung, der Regulierung des Geschäftsbetriebes, der Öffnungszeiten, der Personalausstattung, der Preisbildung, dem Verbot bestimmter Vertriebsformen (z. B. des Versandhandels) und der Bestimmungen zum vorzuhaltenden Angebotssortiment. Ein besonders ausgeprägtes Konglomerat an Regulierungen besteht jedoch in Deutschland. Spezifische staatliche Markteingriffe, d. h. Eingriffe, die über die generelle Gesetzgebung zur ordnungspolitischen Ausgestaltung von Märkten hinausgehen, werden oftmals mit Marktbesonderheiten gerechtfertigt, die tatsächlich oder angeblich verhindern, dass der Marktmechanismus zu einem optimalen Ergebnis führt. Die spezifischen Markteingriffe sollen negative Wirkungen eines freien Wettbewerbs verhindern. Dem dadurch bewirkten Nutzen stehen aber stets auch Regulierungskosten gegenüber. Dies sind einerseits die direkten Belastungen durch die Regulierung selbst, da sie Handlungsfreiheiten von Anbietern und/oder Nachfragern einschränkt. Andererseits erfolgen indirekte Wohlfahrtswirkungen, die mit dem Fachausdruck des 'excess burden' umschrieben werden. Am Beispiel der Steuererbebung kann man dies verdeutlichen: Steuern dienen der Finanzierung von staatlichen Aufgaben. Auf der anderen Seite haben sie einen direkten belastenden Effekt für die Steuerzahler. Darüber hinaus führen sie zu Anpassungen der Steuerzahler, z. B. durch verminderte Arbeitsbereitschaft, was volkswirtschaftliche Kosten nach sich zieht, den 'excess burden'. In dem vorliegenden Paper werden diese Nutzen und Kosten der Regulierung des deutschen Apothekenmarktes analysiert. Es wird sodann erläutert, welche Deregulierungsmaßnahmen erforderlich sind, um regulierungsbedingte volkswirtschaftliche Verluste zu vermeiden. Hauptergebnis ist, dass eine partielle Deregulierung in der Lage ist, die Effizienz und Qualität der Distribution von Arzneimitteln zu steigern. Dem Grundsatz 'Value for money' folgend, wird bei gegebenem Aufwand für die Arzneimitteldistribution die Qualität erhöht. Damit könnte Deutschland im Gegensatz zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Vorreiterrolle für eine Apothekenmarktordnung einnehmen, bei der das Konsumenten- und Patienteninteresse - und nicht nur ein berufsspezifisches Partikularinteresse - im Mittelpunkt stehen. Auf Basis von transaktions- und produktionstheoretischen Überlegungen zu Verbund- und Skaleneffekten sowie der wohlfahrtstheoretischen Analyse zu Oligopolmodellen ergibt die ökonomische Analyse, dass insbesondere die Besitz- und Betreiberregulierungen des deutschen Apothekenmarktes nicht nur unzeitgemäß, sondern für die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden sind. Zusammen mit partiellen Lockerungen im Bereich der Regulierung des Geschäftsbetriebs und des Sortiments - hier könnten weniger regulatorische Eingriffe und damit die Kraft eines freieren Wettbewerbs mindestens genauso gute Ergebnisse erzielen, ohne eine Gefährdung der Kunden auszulösen - können positive ökonomische Effekte folgen. Ein größeres Maß an Freiraum in den Bereichen des Versandhandels und der Preissetzung kann diese Wirkungen noch zusätzlich verstärken.Die Analyse zeigt zudem aber auch, dass nicht alle Regulierungsmaßnahmen auf dem Apothekenmarkt abzulehnen sind. Hierzu gehören die Verschreibungs- und Apothekenpflicht, die Pflicht zur Führung einer Offizin durch einen Apotheker (was unbedingt vom Besitz derselben zu trennen ist) sowie Teile der Betriebsordnung oder Mindestöffnungszeiten. Die Potenziale in diesem Bereich können gehoben werden, wenn mehr Marktwettbewerb auf dem Apothekenmarkt zugelassen wird. Je weiter die vorgeschlagenen Deregulierungen umgesetzt werden können, desto größer sind mögliche positive Effekte. Langfristige Folge der Versuchs- und Entdeckungsprozesse verschiedener Konzepte vertikaler und horizontaler Kooperation könnte ein wohlfahrtssteigerndes Nebeneinander von inhabergeführten Apotheken und solchen im Eigentum von Kapitalgesellschaften sein, wobei insgesamt eine verbesserte Erfüllung der gesellschaftlichen Präferenzen erwartet werden kann.

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